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Antisemitismus auf Bamberger Anti-Corona-Demonstrationen

Antisemitismus auf Bamberger Anti-Corona-Demonstrationen

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  • Dieser Gastbeitrag stammt vom Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bamberg und der zugehörigen Hochschulgruppe an der Otto-Friedrich-Universität.

Bereits seit einem Jahr finden in Bamberg Anti-Corona-Demonstrationen der Gruppe „#Stayawke für Freiheit und Selbstbestimmung“ statt. Mittlerweile werden von der Szene neben den fast wöchentlich samstags auf dem Maxplatz stattfindenden Demos ein wöchentlicher „Montagsspaziergang“, Autokorsos und manchmal ein gemeinsames „Volksliedersingen“ veranstaltet. Den Demonstrant:innen geht es nicht um eine legitime Kritik an der deutschen Corona-Politik. Vielmehr nutzen sie Woche für Woche ihre Bühne, um Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus zu verbreiten.

Eine Strategie der Szene, die man am 27. März wieder am Maxplatz beobachten konnte, ist die „Täter-Opfer-Umkehr“. Sie ist wahrscheinlich so alt wie der Antisemitismus selbst und hat nicht umsonst Verbindungen zu ihm. Ein „Klassiker“ der Täter-Opfer-Umkehr ist der Vorwurf aus der rechten Szene an die Gegenseite, sie führe sich selbst wie Nazis oder Zensoren auf. Schon seit dem zweiten Weltkrieg etablierte sich in Deutschland eine „schuldabwehrende Erinnerungsgemeinschaft“ mit dem Antisemitismusforscher Samuel Salzborn gesprochen. Das Bamberger Demonstrationsfeld gliedert sich hier ansatzlos ein rein. Auf der Demo Ende März wurden wir und andere Mitdemonstrant:innen, die bereits in der vorausgegangenen Woche gegen Verschwörungserzählungen und Antisemitismus auf die Straße gegangen waren, beschuldigt, „antisemitische Fahnen“ gezeigt zu haben. Außerdem seien Fahnen in „rot-weiß-schwarz Farben“ gezeigt worden, die „an den Nationalsozialismus erinnern“, wie Christiane G. in ihrer Rede am Maxplatz sagte. Diese Behauptung ist schlicht erfunden und entbehrt jeglicher Grundlage. In derselben Rede zitierte Christiane Göbel Sophie Scholl und stellte sich ein weiteres Mal in die Tradition des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Sie verharmlosen den Holocaust und sagen offen, sie fühlten sich wie “die Juden“, weil sie eine Maske tragen müssten.

Die Demonstrant:innen verweigern sich wöchentlich der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und ziehen Parallelen zwischen dem Nationalsozialismus und der Corona-Pandemie. Sie verharmlosen den Holocaust und sagen offen, sie fühlten sich wie „die Juden“, weil sie eine Maske tragen müssten.

So geschehen am ersten Oktober 2020 am Gabelmann, als Christiane G. sagte, sie fühle sich „wie die Juden“, denn diese seien ebenfalls „wegen einem Stück Stoff ausgesondert“ worden. Mit dem Stück Stoff meint Göbel bei sich selbst die Maske. Im Hinblick auf „die Juden“ meint Christiane G. den „Gelben Stern“ oder „Judenstern“. Menschen, die nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als „jüdisch“ galten, wurden durch das aufgezwungene Tragen des Sterns stigmatisiert und strukturell diskriminiert – ein Schritt auf dem Weg zur systematischen Vernichtung von etwa 6 Mio. Jüdinnen und Juden im Holocaust.

Dass Christiane G. diesen Vergleich zwischen Maske und „Gelbem Stern“ zieht, ist an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten. Außerdem: Juden wurden nicht wegen einem Stück Stoff, wegen dem „Gelben Stern“ verfolgt und vernichtet, sondern wegen Antisemitismus.

Am fünften Februar 2021 sprach ein Redner am Maxplatz: Es gebe „eine Schattenregierung, auch Deep State genannt, die global gut vernetzt“ sei, es handele sich um „eine kleine Gruppe, die doch sehr mächtig ist. Sie kontrollieren Regierungen, politische Parteien, Finanzen, die Weltherrschaft und die Medien.“ Hier werden verschiedene im Kern antisemitische Verschwörungserzählungen miteinander verbunden. Die Darstellung von Juden als „Puppenspieler“, die im Hintergrund Medien, Wirtschaft und Politik – ja alles – in der Hand hätten, kennt man aus der NS-Propaganda. Der „Great Reset“ ist eigentlich das diesjährige Motto des World Economic Forum (WEF) für eine Veränderung des Wirtschaftssystems, um beispielsweise der Klima- und der Corona-Krise begegnen zu können. Im Verschwörungsmythos des „Great Reset“ werden alte antisemitische Verschwörungserzählungen unter einem neuen Namen zusammengeführt.

In verschwörungsmythischen Kreisen – wie dem in Bamberg – gibt es ein dualistisches Weltbild des Volkes, welches sich im ständigen Kampf gegen geheime, manipulative Eliten befinden würde. Dazu kommen die „Schlafschafe“ in der Mitte, die das „Spiel“ der Mächtigen noch nicht verstanden hätten. Um es mit Adorno zu sagen: „Die Juden werden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt.“

Foto aufgenommen von Heinrich Kolb während einer Rede des JuFo

Die Demonstrant:innen stellen sich immer wieder in die Tradition des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Sie demonstrierten, meditierten, spazierten am Bamberger Mahnmal für Zivilcourage und Widerstand am Schönleinsplatz. Das Mahnmal für Zivilcourage und Widerstand besteht aus drei Büsten von Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus. Eine Büste zeigt Hans Wölfel, der dem katholischen Widerstand in Bamberg zuzurechnen ist und am dritten Juli 1944 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt wurde. Willy Aron, der den Bamberger sozialistischen Widerstand gegen die NSDAP anführte, ist auf der mittleren Büste abgebildet. Er wurde im Mai 1933 nach Dachau gebracht, wo er nach wenigen Tagen an den Folgen heftiger Misshandlungen starb. Als dritte Büste ist die ambivalent zu betrachtende Person Claus Schenk Graf von Stauffenberg dargestellt.

Ein weiteres Beispiel für die eingangs erläuterte antisemische Täter-Opfer-Umkehr ist ein Teil einer Rede des immer noch manchmal in Bamberg sprechenden Eric Z. vom 20. Juni 2020. Er fragte, was denn in „unserem Land“ falsch laufe, wenn „friedliche Demonstranten für Freiheit und die Einhaltung der Grundgesetze von Presse, Politik und der Elite in eine rechte Ecke gestellt“ würden und „wenn der Zentralrat der Juden uns als Antisemiten hinstellt“. Daraufhin forderte er sich nicht von Medien und Politik „veräppeln“ zu lassen, „die scheinbar einer ganz eigenen Agenda folgen“ würden, um dann von Politikern als „geführte Marionetten“ zu sprechen.

Auf Bamberger Anti-Corona-Demonstrationen wurde sich noch nicht glaubwürdig von dieser Gewalt distanziert

Zunächst einmal, ja, ein großer Teil der „Anti-Corona-Szene“ ist nicht gewalttätig. In Telegram-Gruppen wird aber immer wieder zu Gewalt aufgerufen und am Rande von bundesweiten Großdemonstrationen gibt es durchgehend Vorfälle von Übergriffen auf Presse, Polizei und Gegendemonstrant:innen. Auf Bamberger Anti-Corona-Demonstrationen wurde sich noch nicht glaubwürdig von dieser Gewalt distanziert. Nein, die Schuldabwehr funktioniert auch hier und man beschuldigt lieber die von den Demonstrant:innen so genannte „Lügenpresse“ für die Berichterstattung. Auch hier in Bamberg gab es im November einen versuchten Übergriff von Demonstrant:innen auf zwei Fotografen. Im eigens angefertigten Video zu diesem „Spaziergang“ gab es kein Wort von den Stayawakeler:innen zu dem Vorfall.

Wer von einer „Agenda“ oder einem „Plan“ im Hintergrund spricht, bedient sich einer weiteren antisemitischen Verschwörungserzählung, die schlussendlich im Verschwörungsmythos der „New World Order“ (NWO) mündet.

Den Zentralrat der Juden zu attackieren ist ekelhaft.

Diesem Mythos folgend würden mächtige Eliten im Hintergrund zu ihrem Nutzen und die Weltbevölkerung unterjochen oder auch dezimieren, um eine neue Weltordnung zu errichten. Den Zentralrat der Juden zu attackieren und sich auch hier in die Opferrolle zu begeben, wodurch Jüdinnen und Juden sofort zu Tätern gemacht werden, ist ekelhaft.

Wir haben nun von mehreren Beispielen antisemitischer Äußerungen auf den Bamberger Anti-Coronademos berichtet. Wer jetzt denkt, das seien Ausnahmen, liegt falsch. Die Reden auf den Bamberger Anti-Corondemos folgen grundsätzlich strukturell antisemitischen Welterklärungsmustern. Sie folgen verkürzter Eliten- beziehungsweise Kapitalismuskritik, die am Ende Juden zu den Sündenböcken für das eigenen Elend macht. Das passiert hier jede Woche.

Man tendiert dazu, diese Menschen als Spinner abzutun. Tatsächlich stecken die allermeisten schon so tief im Verschwörungsideologiensumpf, dass man sie nicht mehr eines Besseren überzeugen können wird. Man darf aber nicht den Fehler begehen, sie als Spinner zu verharmlosen.

Jüdinnen und Juden empfinden die Corona-Pandemie als „Brandbeschleuniger“ für Antisemitismus, wie es Rapper und Autor Ben Salomo formulierte. Der Attentäter des rassistischen und antisemitischen Anschlags von Halle, des rassistischen Anschlags von Hanau, sowie der antisemitische Angreifer vor der Hamburger Synagoge – ihre Ideologie war und ist geprägt von genau solchen antisemitischen Verschwörungserzählungen. Sie setzten ihr Denken in die Tat um. Das zeigt, dass von diesen Menschen eine konkrete Gefahr für Jüdinnen und Juden ausgeht.

Antisemitismus darf nicht unwidersprochen bleiben.

Wir begrüßen, dass sich in Bamberg in letzter Zeit verstärkt Widerstand gegen die Demonstranti:innen von „Stayawake“ bildete. Außerdem appellieren wir an die Bamberger:innen, den Kampf gegen Antisemitismus an oberste Stelle zu setzen und kontinuierlich Gegenprotest zu formieren. Antisemitismus darf nicht unwidersprochen bleiben.

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