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Scheindebatte um Layla
Dunkel Hell

Scheindebatte um Layla

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  • Warum die Sexismusdebatte um Layla keine ist.

Layla hat eine „geile Figur, blondes Haar“ und ist „schöner, jünger, geiler“ als alle anderen. Layla hat also den Lebenstraum einer jeden Frau erreicht. Denn mehr als richtig geil aussehen können Frauen nicht. Zumindest könnte dieser Eindruck entstehen, wirft man einen Blick auf das deutsche Kulturgut schlechthin: Layla. Das lyrische Meisterwerk in Schlagergewand handelt von der Prostituierten Layla, die naja…halt geil aussieht. Der Ballermann-Hit von DJ Robin & Schürze, in dem überproportional oft das Wort „geil“ vorkommt, befindet sich seit drei Wochen auf Platz 1 der deutschen Single-Charts.

Doch jetzt hat die Stadt Würzburg entschieden, dass das Lied auf dem Kiliani Volksfest nicht mehr gespielt werden darf. Grund dafür sei der sexistische Text, wie die Mainpost einen Sprecher der Stadt zitiert. Würzburg hätte vorher bereits mit den Betreibern des Fests vereinbart, dass das „Donaulied“ nicht abgespielt werden dürfe. Ihr wisst schon, der fetzige Song über Vergewaltigungen. Nun muss jetzt also auch Layla dran glauben. Seit die Entscheidung publik wurde, brennt das Internet. Eine „Sexismusdebatte“ sei ausgebrochen titeln beispielsweise der Spiegel und der Bayrische Rundfunk. Aber ist das so? Diskutieren wir gerade wirklich über Sexismus und welche Probleme damit einhergehen? Die angebliche Sexismusdebatte ist nicht mehr als eine Scheindebatte, in der es eigentlich gar nicht so richtig um Sexismus geht. Ungleiche Bezahlung, sexuelle Belästigung, Gewalt gegenüber weiblich gelesenen Personen spielen in der Diskussion keine Rolle. Es geht vielmehr darum, was Hans-Peter mit zwei Promille im Blut heutzutage im Bierzelt noch mitgrölen darf.

Wenn wir wollen, dass Feminismus ernst genommen wird, dann braucht die Bewegung dringend ein neues Marketing. Denn was mit der Debatte tatsächlich erreicht wird, ist das Gegenteil von dem, was wir uns doch eigentlich wünschen. Alles, was hängen bleibt ist, dass sich die Frauen mal wieder angegriffen fühlen. Von einem harmlosen Lied. Sollen sich halt nicht so anstellen, mein Gott. Was außerdem passiert ist, dass die Leute sich jetzt benachteiligt fühlen, weil ihnen ihr heißgeliebter Sommer-Song weggenommen wird. Was nicht passieren wird ist, dass die Menschen zum Nachdenken kommen und erkennen, was problematisch an solchen Texten ist. Denn was uns wirklich beschäftigen sollte, ist die Frage wie es überhaupt dazu kommen kann, dass eine solche Lyrics unhinterfragt in den Charts landet und gefeiert wird. Dieser Song ist nur Symptom einer tiefer liegenden Ursache. Sexismus und Misogynie sind tief in der Gesellschaft verankert. Wie kann es da sein, dass wir immer wieder nur an der Oberfläche kratzen, statt die Probleme an der Wurzel anzugehen? Wann verstehen wir endlich, dass mit dem moralischen Zeigefinger nicht mehr erreicht wird als eine natürliche Abwehrhaltung und eine „jetzt erst recht“-Haltung? Einstellungen ändern sich nicht durch Verbote. Denn wie das mit Verboten eben so ist, wecken sie erst das Interesse. Einstellungen ändern sich schon gar nicht, wenn die Verbote unlogisch und inkonsequent sind. Wenn Layla nicht mehr stattfinden darf, dann halt Joana, „die geile Sau“. Einstellungen ändern sich aus Überzeugung. Um diese Überzeugung zu erreichen, braucht es mehr Aufklärung. Schon in den Schulen sollte über Stereotype und patriarchale Strukturen gesprochen werden, statt diese immer weiter zu reproduzieren. Aber auch im Erwachsenenalter sollten wir konstruktiv miteinander reden und nicht aufeinander zeigen und rufen „DU machst da aber was falsch!“.

In ein paar Wochen werden wir uns fragen: „Wer zur Hölle war eigentlich nochmal Layla?“. Die wirklichen Probleme, die Sexismus verursacht, bleiben bestehen. Es wird Zeit aus der scheinbaren Sexismusdebatte eine wirkliche, eine politische zu machen.

Kommentare anzeigen (2)
  • Unfassbar gut zusammengefasst! Leider ist es sehr frustrierend zu sehen, dass absolut richtige, legitime und wichtige Argumente falsch vorgetragen werden, und so das Gegenteil der gewünschten Wirkung bewirken. Gerade in der angesprochenen Sexismusdebatte ist dieses Phänomen allgegenwärtig. Danke für diesen Beitrag Frau Hentschel!

  • Super Artikel, bringt genau die Problematik dieser ganzen Diskussion auf den Punkt.
    Wie schon im Beitrag geschrieben fragen sich ja weder die “Layla-Gegner:innen” und erst recht nicht die “Layla-Befürworter:innen”, warum das Lied überhaupt bekannt und erfolgreich werden konnte. Da ist es natürlich viel zu spät, erst im Bierzelt eingreifen zu wollen und führt – was auch schon richtig angesprochen wurde – nur zu Reaktanz und einem Abdriften der Diskussion von den eigentlichen Problemen. Außerdem fallen einem neben dem im Artikel erwähnten Lied “Joana” leider noch viele andere Songs mit – diplomatisch ausgedrückt – sehr fragwürdigen Frauen- und allgemein Geschlechterbildern ein. Da ist es auch einfach argumentativ schwierig zu begründen, warum wir uns jetzt an diesem einen Lied scheinbar so viel mehr stören als an den anderen.
    Also auch von mir vielen Dank für den Beitrag!

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