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Peinlich, peinlicher, RCDS: Warum ein fleischfreier Tag in der Bamberger Mensa den Weltuntergang bedeutet

Peinlich, peinlicher, RCDS: Warum ein fleischfreier Tag in der Bamberger Mensa den Weltuntergang bedeutet

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  • Ein fleischfreier Tag pro Woche – seit Beginn des Sommersemesters Realität in einer der Bamberger Mensen. Etwa 70 Prozent der Abstimmenden einer Umfrage waren dafür. Die Aufregung begann allerdings schon vor Bekanntwerden des Ergebnisses – und war vor allem eins: peinlich.

Eine große Mehrheit der Mensa-Besucher*innen hat im Dezember vergangenen Jahres für einen Tag ohne Fleisch in der Mensa Austraße gestimmt. Eigentlich eine klare Sache. Doch die CSU-nahe Hochschulgruppe Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) Bamberg inszeniert das Ergebnis als demokratiefeindlichen Albtraum.

Fleischfreier Freitag: Was ist passiert?

Noch bevor das Abstimmungsergebnis überhaupt bekannt war, hatte die Gruppe in einem Statement die Legitimität der Umfrage angezweifelt – schließlich fand sie ja kurz vor Weihnachten und der „damit einhergehenden vorlesungsfreien Zeit“ statt. Außerdem sei die Umfrage nur eine Woche lang gelaufen und somit habe nur ein „nicht repräsentativer Anteil der Studenten“ teilnehmen können.

Nur zielte die Umfrage nie darauf ab, die Meinung aller Student*innen abzubilden. Die an der Kasse verteilten kleinen Stimmzettel – mit einfacher Wahl zwischen „dafür“ oder „dagegen“ – richteten sich vielmehr an die regelmäßigen Besucher*innen der Austraßen-Mensa, die längst nicht nur aus Studierenden bestehen. Wie Mensa-Leiter Niklas Dieckhoff dem Fränkischen Tag (FT) gegenüber erklärte, erreichte die Umfrage immerhin einen „Rücklauf im dreistelligen Bereich“ – also etwa die Hälfte der Kantinenbesucher*innen. Damit sollten die tatsächlichen Stammgäste der Mensa durchaus erreicht worden sein.

Etwa 70 Prozent der Befragten stimmten für einen fleischlosen Freitag in der Mensa in der Bamberger Austraße. Foto: Svenja Hentschel

Natürlich wird man mit solchen Umfragen nie alle Menschen erreichen, die die Mensa besuchen. Das ist normal bei freiwilligen Umfragen – kein Drama. Dass die Woche vor Weihnachten schon vorlesungsfreie Zeit sei, entspricht außerdem nicht der Wahrheit. Viele Veranstaltungen finden auch in dieser Woche noch statt. Die Menschen, die der fleischlose Freitag vor allem betrifft – nämlich die regelmäßigen Besucher*innen der Mensa Austraße – werden diese auch in der Woche vor Weihnachten weiterhin genutzt haben.

Demokratie? Ja – aber nur, wenn’s ins Weltbild passt!

Auffällig ist auch, dass den RCDS schon vor Bekanntgabe des Umfrageergebnisses die Panik gepackt hat. Denn bereits im Januar, als das Ergebnis noch gar nicht bekannt war, reichte die Gruppe einen Antrag mit dem Namen „Vielfalt statt Zwang – Keine Bevormundung bei der Essensauswahl“ im Studierendenparlament (StuPa) der Uni ein. Ziel war es, Aktionen wie den fleischlosen Freitag oder einen Veganuary zu verhindern und dafür zu sorgen, dass es immer auch ein Fleischgericht gibt. Scheinbar war den Konservativen bereits bewusst, dass die Mehrheit der Umfrage-Teilnehmer*innen für den fleischlosen Tag gestimmt hatte. Denn sonst hätte es die künstliche Aufregung gar nicht gegeben.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte der RCDS bei einem hohen Ergebnis gegen einen fleischlosen Tag die Legitimität der Umfrage nicht angezweifelt. Darum ging es nämlich auch gar nicht. Es geht vielmehr darum, die eigene Ideologie auf Biegen und Brechen durchzusetzen – also genau das, was Konservative den „links-grünen Woken“ immer vorwerfen.

In der Begründung zum Antrag träumt der RCDS von einer angeblichen Diskriminierung fleischessender Student*innen. Ein veganer/vegetarischer Tag sei eine „unverhältnismäßige Beeinträchtigung“. Wirklich? Ein einziger Tag in einer einzigen Mensa? Während an allen anderen Tagen und an einem zweiten Standort weiterhin Fleisch serviert wird? Wenn das schon als „Zwang“ empfunden wird, möchte man sich nicht ausmalen, wie erst auf echte Einschränkungen reagiert würde.

Antrag abgelehnt

„Das Problem: Unser Antrag wurde ohne Diskussion zur Abstimmung gestellt und abgelehnt, eine Debatte war nicht gewünscht!“, klagt der RCDS in seinem Statement. Eine Debatte zu dem Tagesordnungspunkt entfiel im StuPa tatsächlich. Denn ein Geschäftsordnungsantrag auf sofortige Abstimmung der Fachschaft Humanwissenschaften hatte Erfolg. Über die Notwendigkeit einer Debatte wurde also demokratisch abgestimmt. Der Antrag des RCDS wurde daraufhin ohne vorherige Diskussion gegen drei Ja-Stimmen und vier Enthaltungen abgelehnt. Demokratische Entscheidungen als Problem zu bezeichnen, ist das eigentliche Problem. Demokratie nur dann zu feiern, wenn sie der eigenen Agenda nützt, ist kein demokratisches Verhalten.

Neben „unverhältnismäßig“ sei ein veganer Tag pro Woche auch „unnötig“, äußert der RCDS. „Wir sehen keinen Mehrwert in rein veganen Gerichten“, sagte Bambergs RCDS-Vorsitzender Anton Reichert jüngst dem FT. Eine vegane Ernährung schützt jedoch das Klima, spart Ressourcen, vermeidet Tierleid, kann die Gesundheit fördern und trägt zur globalen Ernährungssicherheit bei. Fleischgerichte dagegen haben welche Vorteile nochmal?

Die hysterischen Männer beim Bamberger RCDS

Eine „parlamentsnahe Studentin“ berichtet gegenüber dem FT von „großem Drama“, das sich hinter den Kulissen abgespielt haben soll. Da sich die RCDS-Mitglieder selbst lediglich als „Vertreter“ der Studis bezeichnen und generell ausschließlich im generischen Maskulinum sprechen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen rein männlichen Aufschrei gehandelt haben muss.

Vor allem die konservativen Herren scheinen also sehr emotional auf Tofu zu reagieren. Warum gleich so hysterisch? Wenn Männer sich bei Tofu und Gemüse schon so ins Zeug legen, haben sie dann überhaupt noch Energie übrig, wenn sie mal reale hochschulpolitische Herausforderungen bewältigen sollen?

Ausgewogenes Mensa-Angebot? Ja, bitte!

Wie absurd die Aufregung ist, zeigt auch ein Blick auf die Fakten: Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten Erwachsene nicht mehr als 300 Gramm Fleisch pro Woche essen. Dieses Pensum kann ein*e Fleischesser*in locker an ein bis zwei Tagen erreichen. Eigentlich wäre also ein Fleisch-Tag pro Woche bei sonst vegetarischer und veganer Auswahl viel zeitgemäßer und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein „ausgewogenes Angebot“, das der RCDS doch verlangt. Doch die Gruppe klammert sich lieber an ein längst überholtes Ernährungsverständnis – Fleisch als Grundnahrungsmittel, pflanzliche Alternativen als Zumutung.

Was soll man aber auch erwarten, wenn das große politische Vorbild Markus Söder lieber über Essgewohnheiten spottet als die Faktenlage anzuerkennen. Sprüche wie „Leberkäs statt Tofu-Tümelei“ und die Überzeugung, ein Metzgermeister kenne sich „perfekt“ mit Ernährung aus, scheint auf den akademischen Nachwuchs abzufärben.

Übrigens: Wer partout kein veganes oder vegetarisches Gericht möchte, dem bleibt immer noch die Alternative, einfach in der Feki-Mensa zu essen oder eines der zahlreichen Restaurants in der Innenstadt aufzusuchen. Auch vorkochen ist möglich. Ja echt, auch Männer können das. Niemand zwingt irgendwen zu vegetarischer oder veganer Ernährung – aber der RCDS scheint einen (!) fleischfreien Tag als persönlichen Angriff zu empfinden.

Die Diskussion um den fleischlosen Freitag zeigt nicht nur eine bemerkenswerte Faktenresistenz, sondern vor allem ein fragwürdiges Demokratieverständnis. Die große Mehrheit hat entschieden. Wer das nicht akzeptieren kann, sollte vielleicht weniger über Tofu und mehr über die Grundlagen von Demokratie nachdenken.

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