Tamara Pruchnow kommt ursprünglich aus Fürth, fühlt sich aber sehr…
In letzter Zeit fällt mir immer wieder auf, wie viele er eigentlich nervt, dieser Feminismus. Die Poetry Slammerin Sarah Bosetti sagt: „Feminismus ist der kleine Streber in der ersten Reihe, den keiner hören will, selbst der Lehrer nicht, und der ein riesiges Problem hat: Er hat recht.“ Und ja, der Feminismus nervt, weil er Dinge anspricht, die wir nicht hören wollen. Er nervt, weil er unbequem ist und manchmal vielleicht auch etwas schrill. Feminist*innen können unheimlich anstrengend sein, weil sie uns damit konfrontieren, dass unsere Gesellschaft immer noch nicht gerecht ist. Obwohl wir schon so lange darüber reden. Dass es immer noch strukturelle Diskriminierung gibt, wie zum Beispiel bei der Bezahlung von Arbeitnehmer*innen. Dass als weiblich wahrgenommene Personen laut diverser Studien ein deutlich höheres Risiko haben, mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt zu werden. Dass Frauen strukturell bedingt häufiger in Altersarmut landen, weil unbezahlte Arbeit im Haushalt auch in progressiven Familien immer noch meist als Frauenarbeit angesehen wird.
Das alles zu hören, macht keinen Spaß. Aber diese Probleme anzusprechen bedeutet nicht, dass Feminist*innen sich als Opfer inszenieren wollen. Man muss Probleme ansprechen, um sie lösen zu können, man muss erst einmal auf sie aufmerksam machen, damit sie als solche erkannt werden. Feministin zu sein, nervt auch, wirklich. Es ist vor allem meistens ziemlich ätzend. Aber es ist halt auch wichtig. Sonst ändert sich eben nichts. Der Feminismus muss offensiv sein, um etwas zu erreichen, muss Aufmerksamkeit erregen, um Themen anzusprechen. Weil sonst lieber weggehört wird. Über Mittel zum Zweck kann man auf Augenhöhe streiten, aber Feminist*innen zu belächeln, weil sie mit der Intention, eine Gesellschaft gerechter machen zu wollen, diese Gesellschaft auf ihre Probleme ansprechen, ist wenig konstruktiv.
Vielleicht hast du selbst gute Vorschläge, wie man Themen in Diskussionen einbringen kann, vielleicht findest du eine unserer Aktionen aus einem anderen Grund, der mit Feminismus nichts zu tun haben muss, unangebracht. Das ist dein gutes Recht und ich freue mich darauf, mit dir darüber zu streiten. Rollenbilder aufzubrechen stößt viele erst einmal vor den Kopf. Das ist verständlich und zutiefst menschlich. Aber meine Gendersternchen sind kein Witz, mit dem ich mir die Zeit vertreibe, weil mir langweilig ist (dann würde ich mir lieber die vielen Diskussionen und hämischen Kommentare vom Hals halten, ganz ehrlich). Ich verwende möglichst geschlechterneutrale Sprache, weil ich weiß, dass Sprache viel mit unserer Wahrnehmung zu tun hat. Und du musst nicht gendern, wenn du nicht willst. Aber mach dich nicht lustig über etwas, das keinem weh tut, sondern stattdessen inkludieren will.
Wenn du mit Feminist*innen streitest, dann greife ihre Argumente an, nicht sie persönlich. Setze dich mit Feminist*innen zusammen und diskutiere mit uns, auf Augenhöhe. Wenn du ehrlich daran interessiert bist, Beweggründe zu verstehen, dann beißen wir nicht. Und wenn dich trotzdem jemand beißt, dann melde dich bei mir. Ich mache mich dann auch nicht über dich lustig, sondern höre dir erst mal zu. Versprochen.
Tamara Pruchnow kommt ursprünglich aus Fürth, fühlt sich aber sehr wohl in Bamberg und beim Ottfried. Sie mag Bücher, Sonne, Einhörner und Nutella. Was sie nicht mag? Schubladendenken und Arroganz. Und grüne Bohnen.