Kilian R., 21, fühlte sich im Maschinenbaustudium unterfordert. Und bereitet…
Als zielstrebig lässt sich mein Weg ins Studium nicht gerade bezeichnen: Zwei Jahre brauchte ich nach dem Abi, um mir darüber klar zu werden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Diese Zeit war nicht immer leicht, doch sie war rückblickend bitter notwendig. Denn wie viele Achtzehnjährige war ich nach der Schule schlicht noch nicht bereit für eine so wichtige Entscheidung.
Wie ein Schlag ins Gesicht traf mich die Frage nach meinen Zukunftsplänen ein paar Wochen nach der anfänglichen Euphorie. Plötzlich musste ich eigene Entscheidungen treffen, musste nicht mehr nur im vorgegebenen Rahmen funktionieren, sondern selbst überlegen, was für mich das Richtige ist. Sicher, ich hatte mir so meine Gedanken gemacht, Interessen abgewägt, mit dem einen oder anderen Studienfach geliebäugelt. Aber wie orientiert man sich als vielfältig interessierter Mensch in einer Zeit, in der Abiturienten alles offensteht? Mit einer Vielzahl an Optionen, von der vorherige Generationen nur hätten träumen können? Hörte man auf sein Umfeld oder das Internet, wäre alles ganz einfach: irgendetwas mit Wirtschaft oder Technik. Am besten beides. Ich wolle doch später sicher einmal meine Familie ernähren können? Warum also nicht? Immerhin war ich in beiden Bereichen ganz gut.
Doch insgeheim verspürte ich den Wunsch, etwas zu studieren, in dem ich nicht nur ganz gut war, sondern für das ich mich begeistern konnte. Ein Studium, bei dem ich mich nicht zwingen müsste, die Lehrveranstaltungen zu besuchen. Also wirklich alles auf die Taxi-Fahrer-Karte setzen und Gefahr laufen, in zehn Jahren die Sprüche der Besserwisser ertragen zu müssen? Vielleicht besser nicht!
Also erst einmal ins Ausland. Das wollte ich ja sowieso schon immer machen – auch wenn ich nicht Lisa, 21, heiße.
Und tatsächlich half mir dieses Jahr unglaublich weiter. Ich traf interessante Menschen aus aller Welt, sah atemberaubende Orte, lernte unterschiedliche Kulturen kennen und arbeitete in einem anderssprachigen Umfeld. Vor allem aber half es mir, eigenständig Entschlüsse zu fassen. Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Einfach mal ein bisschen Abstand von allem zu nehmen, was zuhause als selbstverständlich hingenommen wird. Doch die berufliche Erleuchtung blieb aus, oder zumindest unterdrückte ich sie. Aus mir sollte doch einmal etwas werden.
So ging ich auf Nummer Sicher, studierte ein Fach, bei dessen Klang sich die Augen der Erwachsenen stets anerkennend weiteten. „Oh, das ist aber schwer oder?“ Naja, ging. Nur fehlte mir die Faszination, auf die ich so viel Wert legte. Und was jetzt? Abbrechen und mir stets vorwerfen lassen, zwei Jahre „auf der faulen Haut herumgelegen“ zu sein? Oder das Studium durchziehen, in dem Wissen, damit nie wirklich glücklich zu werden? Ich entschied mich – Gott sei Dank – für ersteres und bereue diese Entscheidung seither keine Sekunde. Es ist okay, nach der Schule nicht direkt zu wissen, was man will. Wer weiß das schon? Nach der Abschaffung von G9 und des Zivildienstes mussten wir uns diese Frage immerhin auch zwei Jahre früher stellen als unsere großen Geschwister. Zwei Jahre, die für die persönliche Entwicklung mit am prägendsten sind. Straight von der Schule auf die Uni zu wechseln mag manchen leichtfallen. Andere hingegen brauchen ein bisschen Abstand vom engstirnigen Schulalltag. Ein bisschen mehr Zeit, um zu überlegen, wie sie ihre Zukunft gestalten wollen. Und vor allem auch die Reife, zu diesen Überlegungen zu stehen.
Was unser Durchstarter dazu sagt, kannst du hier (LINK) in seinem Gegenkommentar nachlesen.
Kilian R., 21, fühlte sich im Maschinenbaustudium unterfordert. Und bereitet sich nun mit seinem Studium der Politikwissenschaften ehrgeizig auf den Beruf des Taxifahrers vor. Die knappe Zeit, die ihm sein bis zum Anschlag gefüllter Stundenplan lässt, widmet er dem Journalismus. Er legt großen Wert darauf, nach dem Abi nicht in Australien gewesen zu sein (sondern in Neuseeland).