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Wuchtig auf Vinyl: Dr. Umwuchts Tanzpalast bringen ihre Platte raus
Dunkel Hell

Wuchtig auf Vinyl: Dr. Umwuchts Tanzpalast bringen ihre Platte raus

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  • Musik mit Herz, Hirn und Karacho – und das Ganze in echt und zum Anfassen, nämlich auf Vinyl. Die Band Dr. Umwuchts Tanzpalast singt von den Schwellen im Leben – aber so, dass es jeden auf die Tanzfläche zieht. Bald gibt es die sechs Jungs mit ihrem ersten Album „Freizeit als Beruf“ auf der guten alten Schallplatte zu hören. Und am 19. Oktober live in Bamberg bei der großen Release-Show. Der OTTFRIED traf Bassist Nikolaus und Gitarrist Andreas auf einen Cappuccino und ein paar Zigaretten und plauderte über Nostalgie und Zeitgeist, Inspiration auf Baustellen und Kampagnen für Bioläden.

OTTFRIED: Nach der CD-Veröffentlichung im Mai 2018 bringt ihr euer Album jetzt auch auf Schallplatte raus. Wie kam es zu der Idee?

Nikolaus: Das ist einerseits etwas sehr Nostalgisches. Vinyl ist eine Hörgewohnheit, die einfach kaputt geht. Gleichzeitig liegt es derzeit wieder voll im Trend: Entweder, die Leute hören Spotify oder gleich Schallplatten.

Andreas: Es ist also nicht nur Nostalgie, sondern auch ein Zeichen der Zeit. Wir glauben, dass wir Leute ansprechen, die gerne Schallplatten hören. Außerdem ist ein Album etwas für jemanden, der eine Band ganz hören will. Die Songs erzählen in der Reihenfolge, in der sie auf dem Album kommen, eine Geschichte. Das hört man sich gerne am Stück an.

OTTFRIED: Was für eine Geschichte wird da erzählt?

Nikolaus: Der Titel des Albums ist „Freizeit als Beruf“. Das klingt erstmal ein bisschen provozierend, aber da steckt viel mehr dahinter als der Traumjob des Rockstars. Wir sind alle sechs im Kulturbetrieb tätig – zum Beispiel als Konzertveranstalter, freischaffende Künstler oder am Theater. Das heißt, unser Beruf ist die Freizeit anderer.

Andreas: Außerdem machen wir viele Dinge, die wir beruflich machen, auch ehrenamtlich – also auch in unserer Freizeit. Wie man das dreht, hat es eine andere Bedeutung. Das ist der Aufhänger für die Geschichte, die wir erzählen: Es geht in allen Liedern mehr oder weniger ums Arbeiten. Darum, ins Erwerbsleben reinzukommen oder reingekommen zu sein, oder um die Bedingungen, die daran knüpfen. Es ist auch viel zeitgenössischer Unfug dabei, um mit dem ganzen Schlimmen umzugehen.

OTTFRIED: Meint ihr mit zeitgenössischem Unfug zum Beispiel den Song „Blumenwurst“?

Nikolaus: Genau. Der Song hat keinen einzigen Satz, es sind nur ein paar Substantive aneinandergereiht. Seitan, Bulgur, Amaranth, und so weiter. Unser Sänger Thomas hatte beim Texten ein Kochbuch vor sich liegen und die Hälfte der Sachen, die er da beschreibt, kannte er selbst nicht. Die Leute reagieren ganz unterschiedlich darauf. Bei einem Konzert kam die Besitzerin eines Bioladens zu uns und meinte, sie möchte den Song für ihren Laden haben. Andere kritisieren das Lied und sagen, wir würden damit den veganen Lifestyle karikieren.

Andreas: Wir verbinden damit gar keine konkrete Bedeutung, außer Zeitgeist zu reflektieren. Es ist einfach ein Bild. Und durch das, was uns zugetragen wurde, ist es sowohl Hymne geworden als auch Schmähgedicht. Vielleicht landen wir noch den großen Smash-Hit in einer Bioladen-Kampagne, wer weiß.

Foto: Paula Platz

OTTFRIED: Viel Aufmerksamkeit bekommt ihr bestimmt auch durch euren Bandnamen, oder?

Andreas: Der Name ist eigentlich ein Schreibfehler. „Umwucht“ war der Versuch, meine Telefonnummer unter einem Pseudonym in ein Festnetztelefonbuch einzutippen. „Umwuchten“ hat sich dann bei uns in der Band als Verb etabliert. Das mit dem Doktor fanden wir einfach lustig, das war damals gerade die Zeit der Guttenberg-Plagiatsaffäre. Da dachten wir uns, es kann sich ja jeder Doktor nennen…

Nikolaus: Der Name ist aber nicht nur Segen, sondern auch Fluch, weil ihn sich niemand merken kann.

OTTFRIED: Wie entstehen eure Texte?

Nikolaus: Unser Sänger Thomas schreibt alle Texte, außer „Oxymoronmann“, der ist von Jakob, unserem Perkussionisten. Aber musikalisch gesehen gibt jeder seinen Senf dazu.

Andreas: Der Input von „Der Dreeck“ zum Beispiel kommt von unserem Saxophonisten Raimund, der in seiner Freizeit auf der Baustelle arbeitet. Der hat immer von seinem Chef erzählt, dem Bagger-Rudi, wie er sich beschwert, dass überall Dreck und Staub rumliegt. Und irgendwann war dieses Lied da. Das ist so das Kern-Arbeiterlied – es drückt die Kapitulation vor der Unmöglichkeit aus, alles zu schaffen. Und es reflektiert vieles, was uns im Alltag begegnet. Deswegen ist „Dreeck“ so ein geflügeltes Wort geworden. Quasi für alles, was nervt, aber geschafft werden muss.

OTTFRIED: Ihr beschreibt eure Musik mit „was zum Denken und was zum Tanzen“. Was davon ist euch wichtiger?

Andreas: Unser Anspruch ist, Tanzmusik zu machen. Der textliche Anspruch, also das, was wir an Inhalten transportieren, war schon immer etwas Politisches, Weltanschauliches, Sozialkritisches. Wir wollen beschreiben wie es Menschen geht, die an Schwellen stehen. Man bahnt sich seinen Weg und irgendwie steht man mit einem Fuß immer noch in älteren Strukturen drin. Und das zu beschreiben bedeutet für uns das „was zum Denken“. Wir wollten nie einfach nur übers Saufen und über schöne Frauen singen.

Nikolaus: Und auch nie nur sagen, wie scheiße die Welt ist. Der erhobene Zeigefinger kann manchmal ermüdend sein. Letztendlich ist das Politische und das Tanzbare in unserer Musik gleichwertig.

Andreas: Dafür steht auch das Wort Tanzpalast: Was Wildes, Verruchtes, was Helles und gleichzeitig Dunkles, ein Ort, an dem alle ein bisschen freidrehen können…

Foto: Frank Schuh

Am Freitag, den 19. Oktober werden die Haas-Säle in Bamberg zum Tanzpalast: Die sechs Jungs stellen dort ihr Album auf Schallplatte bei einer wuchtigen Release-Show vor. Tickets für das Konzert gibt’s im Kaffeehaus Krumm und Schief und am Kiosk Kunni. Mehr Infos gibt’s hier. Also: Alle mal ein bisschen freidrehen!

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