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Komödie mit Schlagermusik
Dunkel Hell

Komödie mit Schlagermusik

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Licht aus, Musik an, Vorhang auf und der ganze Saal schmunzelt. Vor den hochgezogenen Mundwinkeln ergießt sich eine Bühnenlandschaft, die all das widerspiegelt, was dem Publikum in den darauffolgenden Stunden vorgehalten wird: kleinbürgerliche Spießigkeit. Inkarniert in Rollrasen, der selbst in England nicht ordentlicher geschnitten wäre oder in zu überdimensionalen Phallussen zurechtgestutzten Sträuchern und dazu ein Ensemble, das mit Staubwedel, Schoßhündchen und Begrüßungsküsschen links und rechts bewaffnet zu beschwingten Melodien Biederkeit vom Feinsten präsentiert.

Diese Szenerie wiederholt sich mehrfach, sodass sich mancher Zuschauer an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder aber an die nicht enden wollenden Szenen aus „Family Guy“ erinnert fühlt. Anders als im Film mit Bill Murray reißt aber bereits am dritten Tag ein Brief aus Berlin die bürgerliche Gesellschaft der Kleinstadt Krähwinkel aus ihrem beschaulichen Leben. Der Besuch eines gewissen Olmers‘ aus Berlin wird vom Minister selbst angekündigt und mit der anlaufenden Gerüchteküche über den hohen Gast nimmt auch die Handlung Fahrt auf. Denn Herr Olmers platzt – ganz nach dem Geschmack der Bürgermeistertochter Sabine – mitten in die Planungen ihrer Verlobungsfeier mit dem „Bau‑, Berg- und Weginspektorsubstitut“ Sperling. Wird Olmers, ein Mann von Welt und Sabines heimlicher Geliebter aus ihrer Zeit in der Hauptstadt, anfangs noch von der Krähwinkler Hautevolee umworben, gerät er wegen fehlender Manieren und Titel schnell als Großstadttrampel in Verruf.

Die Szenerie wird immer wieder von heiteren Hintergrundmelodien begleitet, die heute sonst wohl nur noch auf Großmutters Grammophon zum Hausputz laufen. Diese Titel wirken bemüht heiter, sind aber gut gewählt, da sie den schmalen Grat zwischen nervig und amüsant treffen. Dadurch wird das Schwanken der Zuschauer zwischen Sympathie und Abneigung für das vorgespielte, kleinkarierte Leben bestärkt. Bei den gesanglichen Einlagen der Schauspieler schauert es die musikalisch bewanderteren Theaterbesucher zwar gelegentlich, insbesondere Bertram Maxim Gärtner gelingt es als Sperling aber hervorragend, diese Defizite als dichtender Charakterdarsteller zu überdecken.

Wäre die Story ob ihrer Banalität nicht so überzeugend, könnte es einem nach der Pause fast langweilig werden. Doch nur beinahe, denn die Schauspieler kämpfen mit exzessiver Gestik, wie meterhoch gekickten Schuhen, dagegen an und halten das Stück auf diese Weise am Leben. Der von Olmers‘ Arroganz verursachte Krähwinkler Aufruhr wird durch seine Heiratsofferte gegenüber Sabine noch verstärkt und das Stück nimmt gegen Ende hin wieder an Fahrt auf.

Das Liebespaar muss die tratschende und titelsüchtige Verwandtschaft erst beknien und dann sogar erpressen, um sie vom Schwiegersohn in spe zu überzeugen. Die zu Beginn der Spielzeit konstatierte, fehlende Interaktion des Ensembles, die ihre Texte allzu oft nur monologisch paraphrasierten, scheint verflogen. Keine Spur mehr von Kommunikationshürden, sondern ein Zusammenspiel perfekt aufeinander abgestimmter Rollen. Vor allem Bertram Maxim Gärtner und Ina Kühr brillieren als verschmähter Verlobter und vordergründig prüde Cousine. Auch Katharina Brenner geht als Untersteuereinnehmerin Staar in ihrer Figur auf. Lediglich Daniel Seniuk und Anna Dönig bleiben blass. Als Großstädter gelingt es Seniuk kaum, gegenüber den anderen, vor kleinstädtischen Stereotypen nur so triefenden, Charakteren anzukommen und Döing fällt es als Sabine schwer, mehr als den Hundeblick gegenüber ihrem Vater aufzubieten.

Die Geschichte findet in der gemeinsamen Darbietung von Udo Jürgens „eherenwertem Haus“ ein apruptes Ende. Mit dem Song hält das Ensemble den Zuschauern den Spiegel vor und spannt den Bogen nach Bamberg. Denn die tratschenden Frauen von nebenan oder den Mann im Erdgeschoss, der Falschparker aufschreibt, gibt es auch in der Domstadt — oder um es mit den Schauspielern zu sagen: im „zu heiß gewaschenen Prag“.

Auch wenn es den Nebendarstellern besser gelingt als den Hauptfiguren, ihre Rollen auszufüllen, ist Krähwinkel ein durchgehend komisches und von der Überzeichnung seiner Charaktere lebendes Stück, das jeden und jede dort abholt, wo er sich befindet, nämlich in Bamberg. Wer also gerne lacht, in den kommenden Wochen Zeit zum Abschalten sucht und Spaß an der Singstar‑Schlageredition findet, sollte sich die zweieinhalb Stunden unbedingt geben.

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