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Filmreview: Das Tagebuch der Anne Frank
Dunkel Hell

Filmreview: Das Tagebuch der Anne Frank

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  • Das Tagebuch eines 15-jährigen Mädchens zeigt menschliche Abgründe auf – selbst mehr als 70 Jahre nach ihrem Tod ist das Schicksal der Anne Frank noch immer bewegend und verstörend zugleich. Nun wagt sich auch ein deutscher Regisseur an den bereits mehrfach verfilmten Klassiker der Weltliteratur.

Der Film beginnt damit, dass die Familie Frank im Jahr 1935 einen glücklichen Urlaub mit Verwandten in der Schweiz verbringt. Im Gespräch der Erwachsenen wird auch der Umzug der Familie aus Frankfurt nach Amsterdam thematisiert, eine Folge der Machtergreifung der Nazis. Es folgt ein harter Schnitt und die Handlung wechselt ins Amsterdam des Jahres 1942, wobei Juden nun auch in den Niederlanden vermehrt diskriminiert und in ihrem Alltag eingeschränkt werden. So kommt es zu einem rassistischen Vorfall am Strand und die Eltern Otto und Edith Frank unterhalten sich immer besorgter über die aktuellen Entwicklungen. Zu ihrem 13. Geburtstag bekommt Anne ein Tagebuch geschenkt, in dem sie sich ihrer imaginären Freundin „Kitty“ anvertraut. Kurz darauf müssen die Franks sich verstecken, da Annes Schwester Margot zum „Arbeitsdienst“ eingezogen, also deportiert werden soll. Im Hinterhaus ihrer Firma haben die Eltern in monatelanger Arbeit eine versteckte Wohnung eingerichtet, in der sie auch die Familie van Daan (eigentlich: van Pels) und den Zahnarzt Dr. Fritz Pfeffer aufnehmen. Durch ihr Temperament und ihre Eigensinnigkeit gerät Anne in der Enge des Verstecks immer wieder mit den Erwachsenen aneinander, insbesondere mit Frau van Daan, Dr. Pfeffer und nicht zuletzt auch mit ihren eigenen Eltern. Außerdem verliebt sie sich in Peter, den Sohn der van Daans. Ein Großteil des Films zeigt den ermüdenden und gleichzeitig nervenaufreibenden Alltag im Hinterhaus, der meist von kleinen Streitereien geprägt ist. Ab und an entgehen die Untergetauchten nur knapp dem Schicksal, entdeckt zu werden, doch nachdem sie erfahren, dass die Alliierten in der Normandie gelandet sind und damit begonnen haben, Europa zu befreien, hebt sich die Stimmung merklich. Bevor sie jedoch ihre Befreiung feiern können, werden sie verraten.

Durch die starke Fixierung des Erzählens auf Anne und die immer wieder eingeschobenen Monologe aus dem Tagebuch findet man sich als Zuschauer sofort in der Handlung wieder und kann die Emotionen des Mädchens gut nachempfinden. Besonders beeindruckend ist, wie gut die beklemmende Angst vor den Nationalsozialisten während des gesamten Films spürbar ist, obwohl lediglich bei der Verhaftung bewaffnete und uniformierte Nazi-Schergen auftauchen. Sonst vermitteln bloß die Informationen der Mitwisser sowie die Dialoge einen Eindruck von der Bedrohlichkeit der Situation. Auch die sparsame musikalische Untermalung trägt zu diesem Effekt bei, sofern eine Szene durch Musik begleitet wird hat diese auch einen großen Einfluss auf den Zuschauer, sei es ein trauriges Klavierstück, während Anne betrübt aus dem Fenster ihres Versteckes späht, oder sei es das tragisch anschwellende Klagen der Streichinstrumente, als die Franks ihr Haus eilig verlassen müssen. Ebenso sind die Liebesszenen – obgleich sie wohl ausführlicher dargestellt werden, als für die Handlung nötig wäre – dezent und rücksichtsvoll umgesetzt und nicht übertrieben erotisiert. Generell gelingt den Machern das Kunststück, die turbulente und pubertäre Gefühlswelt eines heranwachsenden Mädchens überzeugend mit der Tiefgründigkeit zu kombinieren, die ein jüdisches Kind während des Zweiten Weltkriegs mitunter schon in jungen Jahren entwickelt. Anne Frank ist in ihrem Verhalten stellenweise vielen Teenagern durchaus vertraut, doch trägt ihr Tagebuch eine weitreichende Botschaft, einen Appell an die Menschheit in sich, der weit über das hinausgeht, was man von einer 15-Jährigen erwarten würde. Einziger Wermutstropfen ist das Ende des Films, das mit der Darstellung der Entwürdigungen im KZ Auschwitz schon fast sensationsheischend wirkt. Man sollte meinen, Anne Franks Tagebuch spricht für sich selbst, nicht zuletzt glänzte der Rest des Films mit dem Fehlen klischeehafter Nazi-Bösewichte.

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