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Der stille Held der Universität
Dunkel Hell

Der stille Held der Universität

  • Während die letzten Studierenden noch durch die Austraße torkeln, hat seine Arbeit bereits begonnen: Dietmar Eichelsdörfer ist Uni-Hausmeister für die Innenstadt – und geht auch nach 27 Jahren gerne zur Arbeit.

Dicke Regentropfen klatschen unablässig auf das verlassene Pflaster der Austraße. An den Hauswänden stapeln sich bergeweise gelbe Säcke, aber auch in der Straße liegt Müll herum. In der Dunkelheit dauert es, bis man Dietmar Eichelsdörfer ausmachen kann, trotz roter Wetterjacke. Eine schwarze Mütze auf dem Kopf, einen klirrenden Schlüsselbund in der Hand, läuft er die Straße zügig, aber nicht eilend hinunter. Es ist kurz nach fünf Uhr, als der Hausmeister mit zufriedenem Gesicht seinen morgendlichen Rundgang beginnt.

Von Putzfrauen und Pappenheimern

Routiniert schließt er die erste Tür auf. Nach 27 Jahren im Beruf würde er wohl auch im Schlaf das Schlüsselloch treffen. Er tritt ein, macht das Licht an, bahnt sich seinen Weg durch ein scheinbares Wirrwarr von Gängen, linst hier mal in einen Seminarraum, überprüft da mal die Sauberkeit der Toiletten. Hin und wieder trifft er auf eine Reinigungskraft, bespricht sich kurz mit ihr. „Manche wollen früh auch ein bisschen babbeln“.

Meistens läuft alles nach Plan und die Putzkolonne hat ihre Arbeit sauber verrichtet, dann läuft er einfach weiter. Manchmal schaut er aber lieber zwei Mal hin: „Man kennt ja seine Pappenheimer“, meint er mit einem Augenzwinkern. Im Markusgebäude bemerkt er ein kaputtes Türschloss bei einem der Vorlesungsräume. Er drückt die Klinke ein paar Mal hoch und runter, schaut, ob sich beim Schloss nicht doch etwas tut. Nichts passiert. Er macht sich direkt eine gedankliche Notiz. Auch der nach einer Veranstaltung leere Seminarraum muss bis acht Uhr auf jeden Fall noch bestuhlt werden, dann kommen schließlich die Studierenden. Aber erst muss er seinen Rundgang beenden, rund dreißig Gebäude schließt er jeden Morgen auf. Das braucht schon seine Zeit!

Wo die Bürokratie wütet, packt er lieber an

Bis er zurück in seinem Büro ist, sind rund zwei Stunden vergangen. In dem kleinen Büro in der Kapuzinerstraße 20 beginnt er mit der Schreibtischarbeit. Für das kaputte Türschloss muss der Hausmeister einen sogenannten Beschaffungsantrag stellen. Die bürokratischen Schranken erschweren ihm seit gut einem Jahr die Arbeit. „Früher war das nicht so ein Aufwand.“ Jetzt fertigt er also eine E‑Mail an seinen Vorgesetzen an und bestellt ein neues Schloss. Sein Chef leitet den Antrag dann an die Beschaffungsabteilung weiter, die den Antrag wiederum der Kanzlerin der Universität schickt. Der Antrag wird unterschrieben, Angebote werden eingeholt und verglichen, erst dann wird ein Schloss bestellt. Bis das Türschloss eingebaut werden kann, dauert es gerne auch mal zwei oder drei Monate. So kann es nicht weitergehen, findet Eichelsdörfer. In der oberen Etage sollte vielleicht mal eine Glühbirne kaputt gehen, denkt er sich schmunzelnd. Dann würden „die Oberen“ wohl merken, wie unsinnig die ganze Bürokratie ist. Er sieht manche Regel auch mal etwas lockerer. „Manchmal finden wir Studenten, die tagsüber in Gebäuden einschlafen. Ich weck‘ die dann und frag, ob sie nicht auf die Liege im Sanitätsraum wollen. Die ist doch bequemer.“

Fernab vom Klischee

Überhaupt ist der gebürtige Franke sehr pragmatisch. „Ich bin halt ein Typ, der will gern“, sagt er begleitet von einer motivationsgeladenen Handbewegung. Auch nach all den Jahren im Beruf hat er sichtlich Spaß an seiner Arbeit – die mit dem klassischen Hausmeisterklischee nicht immer viel zu tun hat. Dafür ist die Universität schließlich viel zu groß! Gemeinsam mit seinen fünf Kollegen in der Innenstadt führt er kleinere Reparaturen durch, größere werden von externen Firmen übernommen. Ansonsten steht im Winter Räumdienst auf dem Programm, es müssen regelmäßig Veranstaltungs- und Prüfungsräume vorbereitet und Umzüge durchgeführt werden. Auch für die Außenanlagen sind sie verantwortlich. Eichelsdörfer kümmert sich außerdem um die grobe Personalplanung und übernimmt die Schlüsselverwahrung. Klingt zunächst alles ganz entspannt – ist es aber nicht. Für das Hausmeisterteam gibt es immer etwas zu tun von morgens um fünf Uhr bis nachts um halb eins, wenn die letzte Tür abgeschlossen wird.

Der wohlverdiente Feierabend

Bis dahin ist Dietmar Eichelsdörfer mit dem Fahrrad aber längst die sieben Kilometer zurück nach Dörfleins bei Hallstadt geradelt, hat auf dem Balkon oder im Esszimmer seine Zeitung gelesen und hoffentlich das Rauschen in seinem Kopf abgeschaltet. Denn manchmal fällt es ihm schwer, nach der Arbeit den Kopf frei zu kriegen. „Das muss weg“, sagt er. Dazu gehört für ihn auch, dass er das Diensthandy ausschaltet, wenn er sich gegen vier Uhr nachmittags auf den Weg nach Hause macht. Nur hilft es natürlich nicht, wenn die Kollegen dafür auf dem privaten Handy anrufen. „Wie sie meine Nummer rausgekriegt haben, weiß ich immer noch nicht.“ In drei Jahren kann Dietmar Eichelsdörfer das Diensthandy aber endgültig ausschalten, dann geht er in Rente. Auch wenn er viel Spaß an seiner Arbeit hat, freut er sich schon darauf, mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Dort erwarten ihn seine Frau, vier Schildkröten und eine Katze sehnsüchtig. Und so früh aufstehen muss er dann auch nicht mehr.

Dieser Artikel ist auch in unserer Ausgabe 100 erschienen.

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