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Vorgespielt: Who the f**k is EU?
Dunkel Hell

Vorgespielt: Who the f**k is EU?

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  • Wer ist eigentlich diese EU? Wieso gibt es abertausende gefüllter DIN A4 Seiten voller europäischer Richtlinien? Haben die zuständigen Politiker nichts Wichtigeres zu tun, als sich den Kopf über die Krümmung einer Gurke zu zerbrechen oder 52 Seiten mit Schnullerkettenverordnungen zu füllen? Auf der Bühne des ETA Hoffmann Theaters Bamberg ging der „SPIELCLUB JUGEND“ dieser Frage am 6., 7., und 8. Juli auf den Grund.

Europäische Kommission“, „Europäisches Parlament“ „Europäischer Rat“ „Europäische Richtlinie“: Begriffe, die jeder schon mal gehört hat, aber wohl die Wenigsten richtig einordnen können, wenn man nicht gerade Politikwissenschaften studiert. Dass sie etwas mit der EU zu tun haben, ist wohl jedem klar. Aber was steckt dahinter? Und vor allem: „Was hat das Ganze mit mir zu tun?“

Genau das haben sich die fünf Freunde Vanessa, Lisa, Shylee, Julia und Eugen (16–18 Jahre), auch gefragt. Als sie deshalb Bücher zur Geschichte des Kontinents Europa und der Europäischen Union durchblättern, vergebens Wikipedia nach leicht verdaulichen Erläuterungen zur EU befragen und einige der tausend EU-Gesetze durchwälzen, bleiben sie an der Richtlinie 2001/110/EG kleben, die die elektrische Leitfähigkeit von Honig festlegt. Bestimmte Honigarten müssen demnach mindestens 0,8 Mikrosiemens aufweisen. Wie bitte? „Honig soll ja wohl kaum als Kabelersatz verwendet werden“, stellt Julia fest, blickt über das Magazin, das sie in der Hand hält und verdreht die Augen. Gerade noch auf ihren Stühlen sitzend, gelangweilt von den trockenen EU-Definitionen, sorgt die Honig-Richtlinie dann doch für Aufsehen. Das lassen die fünf Freunde nicht auf sich sitzen und verfassen eine E‑Mail an die Personen, die sich am besten mit den Richtlinien auskennen sollten: Die Menschen, die für die EU arbeiten. Auf der Internetseite der EU ist es nämlich möglich, eine E‑Mail an die Europäische Kommission zu senden. Wer genau diese E‑Mails liest ist jedoch unklar.
Vier Tage später die erste Antwort, die für den Zuschauer aus den Lautsprecherboxen ertönt: „Dies ist eine automatisch gesendete E‑Mail. Bitte antworten Sie nicht darauf“ und weiter: „In der Regel erhalten Sie innerhalb von drei Werktagen eine Antwort.“ Achtung, nicht das Kleingedruckte übersehen: „Bei komplexeren Fragen kann es länger dauern“.
Das Warten beginnt.

In der Zwischenzeit grübeln die Freunde über die Frage „Warum ist die EU wichtig für junge Menschen wie wir es sind?“. Sie stoßen auf ein Zugticket, dass es ermöglicht, in 30 europäische Länder zu reisen, das Interrail-Ticket. „In Zeiten vor der Europäischen Union wäre das nicht möglich gewesen“, stellen sie fest, „für die Menschen in Asien zum Beispiel wäre das ein Traum“, finden sie im Internet heraus.

Drei Monate später dann endlich eine etwas längere Antwort, diesmal sogar mit einem richtigen Inhalt: Man könne die Qualität von Honig am besten an seiner Leitfähigkeit feststellen. Dazu noch ein paar nicht ganz verständliche Erklärungen. Immerhin eine E‑Mail, auch wenn es eine halbe Ewigkeit gedauert hat. „Muss wohl ganz schön kompliziert gewesen sein unsere Frage“, stellen die Freunde fest.

So ganz verstehen sie zwar auch mit der Antwort noch nicht, wieso Honig nun elektrisch leitfähig sein muss, aber immerhin konnten sie die Wartezeit dazu nutzen, um sich selbst zu erklären, warum die EU auch für sie eine Bedeutung hat. „Die EU gewährleistet uns, in jedes ihrer Mitgliedsländer einreisen zu können, im besten Falle sogar mit der gleichen Währung zahlen zu können.“ Die Freunde finden, dass die EU Menschen zusammenbringt, die lange Zeit voneinander entfernt waren, durch Kriege zum Beispiel. Trotzdem fordern sie von den Politikern der EU mehr Transparenz. „Nicht nur die Politiker, sondern auch wir jungen Menschen und normale Bürger wollen verstehen, wieso es so wichtig für jeden einzelnen von uns ist, Mitglied der EU zu sein.“

Das Theaterstück kann Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen zum Nachdenken anregen. Die Schauspieler wandeln die Bühne in eine Diskussionsplattform um. Die Protagonisten tragen mit den EU-Sternen bestickte T‑Shirts und selbst die Stühle, auf denen sie in einer Szene protestierend stehen, sind mit dem blauen Rahmen und der gelben Sitzfläche farblich auf die Europa-Flagge abgestimmt. Die Schauspieler bedienen sich alltäglicher Gegenständen wie Watte, Papier, Pappbecher und Kuscheltiere, um die Funktion einzelner Instanzen der Europäischen Union möglichst einfach zu erklären. Geschickt gelöst: Wer bei den Definitionen der einzelnen Institutionen an trockene, theoretische Erklärungen denkt, der lernt hier, dass Erläuterungen nicht immer langweilig sein müssen. Bei einer großen Portion Witz ertönt in vielen Szenen lautes Gelächter. Gleichzeitig erkennt man eine Ernsthaftigkeit in den Gesichtern der fünf Protagonisten, die deutlich macht, wie nah und gleichzeitig fern ihnen die Idee der EU ist. Nach und nach erschließen sich die Freunde, warum die EU für jeden von uns wichtig ist. Dabei fragt man sich: Sollte es nicht eine politische Aufgabe sein, allen Menschen deutlich zu machen, warum ein Europa eine Errungenschaft und kein Klotz am Bein ist?
Übrigens: Das Ganze ist keine ausgedachte Geschichte. Alles hat genauso stattgefunden.

Noch einmal mitfiebern kann man bei dem Theaterstück am 22.07.2017 um 11:30 Uhr im Staatstheater Nürnberg.

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