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Aus den Gräbern unter der Aula
Dunkel Hell

Aus den Gräbern unter der Aula

  • Ihr Name war Rekhle. Sie war schön, wurde geliebt, und ihr Vater hieß Barukh. Am 11. August 1400 wurde sie begraben, wahrscheinlich auf dem jüdischen Friedhof am Rand des Sandgebiets. Alles, was wir über Rekhle wissen, steht auf ihrem Grabstein. Und der wurde Jahrhunderte lang als Baumaterial missbraucht.

Eine Aula zum Geburtstag

Der Campus ist das Weltkulturerbe“, so Uni-Kanzlerin Dagmar Steuer-Flieser aus. „Es ist ein großer Segen, dass wir diese Räume haben.“ Mehr Teilnehmer als erwartet kann Uni-Präsident Godehard Ruppert zum Pressegespräch in den Räumen des Staatlichen Bauamtes am 13. April 2015 begrüßen. Es geht um „das größte Dach der Altstadt“, die Aula der Otto-Friedrich-Universität. Wer nach 2010 angefangen hat, in Bamberg zu studieren, wundert sich jetzt vielleicht: Wir haben eine Aula? Ja, haben wir. Das ist die große Baustelle neben dem Schlenkerla in der Dominikanerstraße. Nebenbei ist es die älteste Hallenkirche Bayerns. Die hat eine bewegte Existenz hinter sich, sie wurde 1401 als Kirche des Dominikanerklosters gebaut, 1715 im barocken Stil umgebaut, 1803 säkularisiert, beherbergte ab 1950 die Konzerte der Bamberger Symphoniker und wurde 1999 schließlich der Universität als Aula übertragen. Da war sie in ziemlich desolatem Zustand. Marodes Dachwerk, herabfallende Dachziegel, lieblos ersetzte Fenster, ein Innenraum mit fürchterlicher Akustik – das Wissenschaftsministerium hatte schließlich Erbarmen. Für 8,3 Millionen Euro wird die Aula seit 2010 saniert. Der Zeitplan ist ambitioniert, zum diesjährigen Dies Academicus, dem Geburtstag der Universität, soll die Aula fertig sein.

Prof. Dr. Susanne Talabardon erläutert die von ihr übersetzte Inschrift des Grabsteins der Rekhle — Foto: Jonas Meder

Suche Geld, biete Grab

Wer baut, muss buddeln. Zum Glück, denn graben darf man sonst in Bamberg nicht. Von einem „Fenster in die Vergangenheit“ sprich Grabungsleiterin Johanna Aas begeistert. Bis zu 4,5 Meter tief reicht dieses Fenster in den Untergrund und damit bis zum Siedlungsbeginn im Sandgebiet irgendwann im frühen Mittelalter, als sich am Fuße des Dombergs die ersten Bürger ansiedelten. Alte Fundamente und Fußböden haben Johanna Aas und ihr Team gefunden, vor allem aber Gräber, Lederschuhe, Haare, die Überreste eines Blumenstraußes und natürlich auch Knochen. Beim Gang über die Baustelle sagt die Grabungsleiterin: „Hier sind quasi überall Gräber.“ Den Grund dafür kennt Stadtarchäologe Stefan Pfaffenberger: Die Dominikaner hatten als Bettelorden keinen Besitz und keine festen Einkünfte, Geld brauchten sie trotzdem, also verkauften sie Begräbnisplätze in ihrer Kirche.

Überraschung in der Gruft

In den Ummauerungen einiger Gräber stießen die Archäologen unerwartet auf Teile jüdischer Grabsteine und in der Wand einer Gruft schließlich auf den fast unversehrten Grabstein von Rekhle. Für die Forschung ist der Fund der Grabsteinfragmente ein Glücksfall, denn Rekhles Grabstein belegt, dass der jüdische Friedhof in Bamberg schon einige Zeit vor seiner Erwähnung im Jahr 1407 bestanden haben muss. Gleichzeitig bezeugt er etwas, das niemals hätte geschehen dürfen, denn jüdische Friedhöfe werden angelegt für die Ewigkeit. Jüdische Gräber werden nicht nach 20, 30 Jahren aufgelöst, jede Einebnung eines Friedhofs ist ein Sakrileg. Ein Friedhof, das macht Prof. Talabardon mit Nachdruck deutlich, ist wichtiger und heiliger als eine Synagoge. Doch spätestens als Ende des 15. Jahrhunderts alle Juden aus Bamberg ausgewiesen wurden, ist wohl auch der Friedhof zerstört worden. Die Grabsteine – sei es aus böser Absicht oder aus Missachtung – verwendete man als Baumaterial.

„Ein Traum in Weiß“

Die sanierte Aula der Universität ist nicht nur eine bauliche Herausforderung, einen „Spagat“ nennt es Ruppert, denn es gibt archäologische Funde, aber es wird kein Museum, es ist ein Kirchenbau, aber keine Kirche. Man spürt, sie wollen hier alles, wirklich alles, richtig machen. Ein Kunstwettbewerb entschied über das Design der neuen Fenster, bereits sanierte Fresken werden ins Gesamtbild sanft eingebettet, im Übrigen verspricht Ruppert einen „Traum in Weiß“, der die Konzentration fördern soll in dieser „Assembly Hall“ nach dem Vorbild englischer Universitäten. Da ist sie wieder, die mittlerweile liebgewonnene Bamberger Besessenheit von der „klassischen Universitätstradition“. In der sanierten Aula kann die Universität dann endlich in angemessenem Rahmen internationale Konferenzen abhalten und feierlich Zeugnisse und Urkunden überreichen. Falls die Uni einen großen Prüfungsraum braucht, eignet sich die Aula auch dafür.

Und was passiert nun mit dem Grabstein „der geliebten Jungfrau, der teuren Rekhle“? Diese Frage, so der Uni-Präsident, sei noch offen und werde in Abstimmung mit der jüdischen Gemeinde diskutiert. In der Regel würden jüdische Grabsteine wieder in Friedhöfe integriert, aber es gebe auch Fälle, wie im Jüdischen Museum in Würzburg, in denen man sich für eine museale Ausstellung entscheidet. „Das ist ein Balanceakt, den wir noch zu bewältigen haben.“ Im Herbst, wenn das große Werk vollendet sein soll, wissen wir mehr. Ruppert jedenfalls prophezeit: „Da passt dann alles.“

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